DÜSSELDORF - Zwei Tage, die bleiben: Die Gruppe junger Erwachsener „MMM - Migrant*innen mischen mit“ der AWO hat sich auf eine kreative Reise begeben - nicht etwa in ein gewöhnliches Atelier, sondern mitten hinein in die Werkstatt des bekanntesten politischen Wagenbauer Deutschlands: Jacques Tilly.
Was nach Pappmaché und Karneval klingt, entpuppte sich schnell als intensive Auseinandersetzung mit Politik, Kunst und Handwerk. Der 62-jährige Künstler empfing die jungen Erwachsenen in seiner legendären Wagenbauwerkstatt in der alten Rheinbahnhallen in Düsseldorf - jenen geschichtsträchtigen Hallen, in denen seit über 42 Jahren seine radikalen, überlebensgroßen Karnevalswagen entstehen.
Kunst aus Dachlatten, Draht und … Knochenleim aus Tierknochen
Dass hinter jedem dieser Umzugswagen ein filigranes, aber stabiles Gerüst steckt, erfuhren die jungen Erwachsenen hautnah. In Theorie und Praxis zeigte Tilly, wie aus simplen Materialien - Dachlatten, Maschendraht, Papier und Knochenleim - gigantische Figuren entstehen. Letzterer ist für den Künstler und sein Künstler*innen-„Team Tilly“ nach wie vor das Nonplusultra: „Kein anderer Leim trocknet so schnell und hält so gut“, betonte Tilly. Eine
Technik aus alten Zeiten, welche durchaus ethisch zu hinterfragen ist, die aber heute mehr denn je für ihre Effizienz geschätzt wird.
Es war jedoch nicht der Karneval, den die AWO als Anlass nahm, diesen Workshop gemeinsam mit Tilly zu planen und umzusetzen. Diesmal war das Ziel der Drahtarbeit die
Diversität der Menschen zu zelebrieren. In Vorbereitung für die Teilnahme der AWO an den bevorstehenden CSD‘s in Dortmund (16.08.25), Bocholt (23.08.25) und Münster
(30.08.2025), gestalteten die jungen Erwachsenen tragbare plastische purpurrote Herzen, um den Fokus eines jeden CSD‘s zu repräsentieren: Liebe!
„Wir haben Politik mit den Händen geformt“
Für die MMM-Gruppe wurde das Seminar weit mehr als ein handwerklicher Workshop: „Wir haben Politik nicht nur diskutiert, sondern buchstäblich mit den Händen geformt“, erzählt Bassam (23) strahlend. CSD ist ein Fest um die Vielfältigkeit der Liebe und des Seins zu feiern, dessen Ursprung in der New Yorker Christopher Street und dem Auflehnen sexueller Minderheiten gegen Polizeigewalt liegt.
Dies macht jeden CSD zu einem politischen Statement, welches nun durch das Engagement motivierter und weltoffener junger Erwachsener der AWO, bildlich verstärkt wird.
Begegnung auf Augenhöhe
Tilly nahm sich Zeit - für Gespräche, Fragen und Vermittlung seiner immensen künstlerischen Erfahrung. Zudem ermutigte er, Kritik zu äußern. „Ich war überrascht, wie direkt und ehrlich er über Politik redet“, so Anosh (23), „aber genau das macht seine Kunst so stark.“ Die jungen Erwachsenen verließen die Werkstatt nicht nur mit neuen Fähigkeiten, sondern mit dem Gefühl Teil einer größeren Stimme zu sein - einer, die sichtbar macht, was sonst übersehen wird.
Ein Fazit mit Zukunft
Der Workshop war nicht nur ein Ausflug in die Welt des Karnevals, sondern ein wertvoller Blick hinter die Kulissen einer Kunstform, die provoziert, aufrüttelt und zum Denken anregt.
Kunst zeigte sich als Werkzeug zur Mitgestaltung unserer Gesellschaft. Zwei Tage voller Draht, Politik und Perpesktiven - Düsseldorf wird für diese jungen Künstler*innen unvergessen bleiben.